Unsere Forderungen zur Bundestagswahl 2021

Die Corona-Krise hat verdeutlicht, dass unbezahlte Sorgearbeit eine zentrale gesellschaftliche Ressource ist, auf die nicht nur in der Pandemie wie selbstverständlich zurückgegriffen wird. Frauen haben bereits vor der Pandemie den Hauptteil der unbezahlten Sorgearbeit geschultert. Die Sorgelücke zwischen Frauen und Männern ist durch die Corona-Krise noch größer und noch stärker sichtbar geworden. Dies geht vor allem zu Lasten der eigenständigen Existenzsicherung, der Gesundheit und des Wohlbefindens von Frauen. Gleichzeitig erhöht sich der Erwerbsdruck für viele Männer. 

Das im Juli 2020 gegründete Bündnis Sorgearbeit fair teilen fordert alle demokratischen Parteien auf, sich für die gerechte Verteilung von Erwerbs- und Sorgearbeit zwischen Frauen und Männern über den Lebensverlauf hinweg einzusetzen. Die Politik darf sich nicht mit einer Rückkehr zum Status Quo vor Corona zufriedengeben. Die Anreize für die gleichberechtige Aufteilung von Sorge- und Erwerbsarbeit müssen in der kommenden Legislaturperiode verstärkt werden. Fehlanreize gilt es zu beseitigen. Wir fordern einen gleichstellungspolitischen Aufbruch hin zu einer fairen Verteilung unbezahlter Sorgearbeit, damit Frauen ein existenzsicherndes Einkommen erwirtschaften können und Männer mehr Sorgearbeit übernehmen.

Strukturelle Rahmenbedingungen, die die ungleiche Verteilung von Sorge- und Hausarbeit begünstigen, müssen verändert werden. Das Bündnis fordert sechs konkrete Maßnahmen für mehr Geschlechtergerechtigkeit durch eine gleichstellungsorientierte Familienpolitik.

1 Entgeltersatzleistung für Pflegende

Es muss Frauen und Männern möglich sein, sich um nahestehende pflegebedürftige Personen zu kümmern, ohne die eigene Existenzsicherung aufs Spiel zu setzen. Wir fordern die Einführung einer Entgeltersatzleistung für Pflegephasen. Auch Pflegearbeit muss stärker zwischen den Geschlechtern umverteilt werden. Notwendig ist die sozial gerechte Ausgestaltung, damit Menschen mit kleinen Einkommen wegen der Übernahme von Pflege nicht in Armut rutschen.

2 10 Tage Freistellung für Väter bzw. zweite Elternteile rund um die Geburt mit vollem Lohnersatz

Um Väter bzw. zweite Elternteile in Regenbogenfamilien so früh wie möglich aktiv in die Betreuung und Erziehung des Kindes einzubeziehen, fordern wir – entsprechend der 2019 verabschiedeten EU-Vereinbarkeitsrichtlinie – die Einführung einer zehntägigen, voll bezahlten Freistellung rund um die Geburt als eigenständige Leistung. Damit soll die partnerschaftliche Arbeitsteilung von Anfang an unterstützt werden.

3 Ausweitung der individuellen, nicht übertragbaren Elterngeldmonate

Um nach der Geburt eines Kindes auch mittelfristig eine geschlechtergerechte Übernahme von Sorgeverantwortung zu fördern, fordern wir, die Anzahl der Elterngeldmonate, die nicht auf den anderen Elternteil übertragen werden können, auf mindestens vier Monate je Elternteil zu erhöhen. Damit wird eine stärkere familiäre Verantwortungsübernahme bei Vätern bzw. zweiten Elternteilen unterstützt.

4 Abschaffung der Lohnsteuerklasse V und Individualbesteuerung für alle

Aktuell setzt das Steuerrecht in Ehen immer noch starke Anreize für das sogenannte Ernährermodell bzw. das Zuverdienermodell aus (meist männlichem) Hauptverdiener und „Zuverdienerin“. Um die existenzsichernde Erwerbstätigkeit von Ehefrauen zu fördern, fordern wir die Abschaffung der Lohnsteuerklasse V und die Individualbesteuerung mit übertragbarem Grundfreibetrag.

5 Öffentliche Förderung haushaltsnaher Dienstleistungen

Um Familien mit kleinen Kindern, Alleinerziehende oder Menschen mit Unterstützungs- und Pflegebedarf zu entlasten, fordern wir staatliche Zuschüsse für haushaltsnahe Dienstleistungen. Wir schlagen ein Gutscheinsystem vor, das tarifgebundene sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse unterstützt. Qualifizierte haushaltsnahe Dienstleistungen müssen auch für Familien mit niedrigen Einkommen erschwinglich sein.

6 Schaffung von Rahmenbedingungen für geschlechtergerechte und familienorientierte Arbeitszeitmodelle

Das Bündnis setzt sich dafür ein, dass Phasen reduzierter Erwerbstätigkeit zur Übernahme von Sorgeverantwortung über den Lebensverlauf hinweg für alle Geschlechter mit einem finanziellen Ausgleich und gesicherten Rückkehroptionen möglich und zur Normalität werden. Dabei ist auf eine sozial gerechte Ausgestaltung zu achten. Hier sind neben der Politik auch die Sozialpartner gefordert. Vor allem Arbeitgeber*innen sind aufgefordert, Arbeitsprozesse unter Berücksichtigung familialer Anforderungen ihrer Beschäftigten zu gestalten.